Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, einen Hund aus dem Tierschutz zu adoptieren, gibt es meist die Menschen, die das schonmal gemacht haben, die Realisten und diejenigen, die zu romantische Vorstellungen davon haben. Vorab hat ja auch jeder seine Meinung: "Die sind alle aggressiv, die sind alle krank, da tust du dir keinen Gefallen mit." ist nur ein kleiner Auszug aus den Vorurteilen, die man sich bei der Kundgabe seiner Idee, einen Hund zu adoptieren anstatt vom Züchter zu holen, anhören darf. Ein Tipp von mir: Seid Realist und entscheidet für euch allein. Der Hund muss zu euch und eurer Familie, eurem Leben, euren Vorstellungen passen. Bei allen gutgemeinsten Ratschlägen ist das neue Familienmitglied - auch wenn es bereits auf einer Pflegestelle wohnen durfte - erstmal eine Wundertüte. Ein Hund ist wahnsinnig anpassungsfähig. Trotzdem sollte man fair sein. Dem Hund Zeit geben, anzukommen. Und sich selbst im Spiegel anschauen und die Frage stellen: Kann und WILL ich die Zeit, Geduld und Energie investieren, um dann im besten Fall viele Jahre für den neuen Begleiter da zu sein. Stellt euch das Worse-Case- und das schönste Szenario vor.
Wenn ihr euch entschieden habt, dass ihr einem Hund ein besseres Leben als im Shelter bieten wollt, ist das erstmal richtig toll. Und ein Vorurteil bleibt am Ende ein Vorurteil. Ich kann hier nur meine Erfahrungen teilen. Aber ganz sicher ist, dass jeder Hund - ob aus Portugal, Griechenland, Rumänien oder sonstwoher - viele Dinge noch nie gesehen hat, eventuell keine Familie kennt, vielleicht auch noch nie in einem Haus war. Unsicher, unsauber oder aggressiv ist. Das ist meiner Meinung nach völlig logisch, wenn man die Erlebnisse und Traumata sieht, was diesen Hunden wiederfahren ist oder auch was sie nie kennenlernen durften. Klar ist, es ist definitiv erstmal Fingerspitzengefühl und Empathie gefragt.
Lenny ist aus Rumänien und ein sehr ängstlicher Hund (gewesen). Wir hatten hier mit Jack, einem alten Terrier, mehr als einen souveränen Ersthund und haben uns zugetraut, Lenny zu helfen. Er ist schon 2x auf der Pflegestelle nicht genommen worden, da er sich ständig nur versteckt hat. Pflegestellen können im Übrigen helfen, dass man schon ein wenig mehr über den Hund erfahren kann. Wenn es z.B. darum geht, Temperament zu erahnen oder zu schauen ob der neue Begleiter mit Katzen oder Kindenr zurecht kommt.
Als wir ihn holten, wollte er nicht mal vor die Tür. Wir haben hier zu Hause die Leine mit dem Sicherheitsgeschirr am Hund gelassen. Mit vorsichtigen Schritten hat er den Garten erkundet und befand den auch für durchaus sicherer als Gassi-Gänge oder im Haus zu sein. Ich glaube, das Wichtigste ist, kleine Schritte zu machen. Rennt mit so einem Hund nicht sofort zur Hundeschule. Macht einfach erstmal nichts. Lasst ihn schnüffeln, ankommen, fressen und in den Garten machen. Und dann geht Babysteps. Er will nicht raus? Fußmatte ist das Ziel und dann wieder zurück. Arbeitet viel mit positiver Verstärkung, zwingt ihn zu nichts. Gebt ihm das Gefühl, er ist sicher bei euch und nichts weiter. Routinen helfen. Und Konsequenz. Seid jeden Tag gleich.
Nach 6 Wochen ist Lenny das erste Mal freiwillig mit uns rausgegangen. Und erst haben wir mit dem Programm gestartet "draußen ist der Haufen besser". Immer dieselbe Gassi-Runde gibt Sicherheit. Und dann merkt ihr auf einmal: jeden Tag wird irgendwas besser. Der Hund schaut euch an, hört auch schonmal. Und dann kann man mit Sitz und Platz anfangen und auch mal in die Eisdiele gehen. Das ist zäh, aber es lohnt sich. Wenn dann jemand zur Hundeschule möchte, kann man erst dann darüber nachdenken. Ich schätze, die Zeit hat 3 endlose Monate Geduld gekostet. Aber ich sag euch was - es lohnt sich!

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